© WEIDT CONSULT 2024
von Heinrich Ulrich Seidel
Eines der ältesten Speditions- und Logistikunternehmen
Deutschlands, das sich seit sieben Generationen im
Familienbesitz befindet, ist die im südlichen Siegerland
ansässige Firma WEIDT-ISL GMBH aus Burbach. Das
Siegener Adressbuch von 1834 führt Gerlach Waid aus
Salchendorf bei Neunkirchen als Berg- und
Hüttengewerkebesitzer, Stahl- und Eisenhandel". Ein aus den
1830er Jahren stammendes, leider nicht mehr vollständig
erhaltenes Rechnungsbuch belegt jedoch, dass von Gerlach
Waid nicht nur eigene Handelsgüter transportiert wurden,
sondern dass er auch Beförderungsaufträge von Dritten
durchführte.
Nachweisen lässt sich die Familie Waid oder Waidt - beide
Schreibweisen sind in der damaligen Zeit gebräuchlich - seit
dem Ende des 18. Jahrhunderts in Salchendorf, denn im Juli
des Jahres 1774 heirateten Johann Antonius Waid (geb.
1748)* aus Daaden und Barbara Elisabeth Thielmann aus
Salchendorf, wohin auch der Sitz der Familie gelegt wurde.
Offenbar konnte ihr 1778 geborener Sohn Johann Gerlach
Waid, der 1803 Anna Maria Reiffenrath heiratete, die Firma
von seinem Vater Johann Anton übernehmen. Das bereits
angesprochene Rechnungsbuch aus den 1830er Jahren zeigt,
dass das Unternehmen mindestens seit 1813 bestand, denn es
wird auf einen Geschäftsvorgang aus diesem Jahr verwiesen.
Dass es vor 1813 unternehmerische Aktivitäten gab, kann nur
vermutet werden, denn weder das Rechnungsbuch der Firma
noch die entsprechenden Kirchenbücher machen hierzu
Angaben. Berufs- bzw. Standesbezeichnungen in den
kirchlichen Unterlagen wurden erst im ersten Drittel des 19.
Jahrhunderts eingeführt. Als Gerlach Waid im Jahr 1837 starb,
hatte sich das Unternehmen allerdings schon so weit
entwickelt, dass der Handel mit Eisenerz und Eisenprodukten
mit eigenen Gespannen z.B. bis nach Frankfurt/M. oder an den
Niederrhein durchgeführt wurde.
Der 1849 geborene Ferdinand
Weidt, der die Firma von seinem
Vater Anton, einem Sohn
Gerlachs, übernommen hatte,
musste auf die Herausforderung
reagieren, die durch den Bau der
Eisenbahn auf ihn zukam. Im
Jahre 1861 eröffnete die Köln-
Mindener Eisenbahngesellschaft
ihre Bahnlinie zwischen Köln-
Deutz und Gießen, zu der auch
der Bahnhof in Neunkirchen
gehörte. Mit der Fertigstellung
dieser Bahn wurde der Transport von Massengütern wie
Eisenerz weitgehend von der Straße auf die Schiene verlagert.
Allerdings gab es vorläufig noch keine Bahnverbindungen zu
der damals bedeutenden Grube Pfannenberger Einigkeit und
zu anderen Betrieben im Wildener Tal nordöstlich von
Neunkirchen. Diese Lücke wurde erst mit der Eröffnung der
Freien Grunder Eisenbahn 1907 geschlossen.
Um die Jahrhundertwende entwickelte sich der
Fuhrmannsbetrieb Weidt, der eigene und fremde Handelsgüter
von einem Ort zum anderen transportierte, zu einem
modernen Dienstleistungsunternehmen, dessen
Geschäftstätigkeit in der Bereitstellung von
Beförderungskapazitäten in ganz unterschiedlichen Bereichen
bestand. Zum einen konzentrierte man sich auf
Spezialtransporte. So wurden beispielsweise Sprengstoffe in
vierzehntägigen Reisen von der Gewerkschaft Würgendorf ins
Saarland und in das
Ruhrgebiet gefahren,
wo man sie zum
Steinkohleabbau
benötigte oder
Kabeltrommeln zur
Elektrifizierung des
Westerwaldes.
Andererseits zeigen die Aktivitäten, die man im Siegerländer
Eisenerzbergbau entfaltete, die Neuorientierung, zu der man
sich durch den Bau der Bahn gezwungen sah. Ein Beispiel für
diesen Geschäftsbereich stellt der Transport von
Maschinenteilen dar, die für das neue Maschinenhaus der
Grube Bollnbach in Herdorf bestürmt waren. Die wöchentlich
erscheinende Hellerthaler Zeitung berichtete am 28. Juli bzw.
am 4. August 1906, daß ,,die Fuhrunternehmer Weidt und
(sein Schwager) Henrichs aus Neunkirchen" ein Rahmengestell
,,im Gewicht von 321 Centnern" und eine ,,Welle der
Fördermaschine" von 400 Zentnern Gewicht mit Hilfe von 24
Pferden und ,,Hülfsmannschaften" einen mit 40 Grad Steigung
sehr steilen Hang hinauf bis zu seinem Bestimmungs- und
Einsatzort befördert hatten. Der Artikel der Hellerthaler
Zeitung weist darauf hin, dass es bei diesem Unterfangen vor
allem um die technische Realisierung eines schwierigen
Transportes ging, der mit den üblichen Methoden nicht möglich
gewesen wäre. Wörtlich heiß es in der Hellerthaler Zeitung
vom 4.8.1906: ,,Für Techniker ist der Transport eine sehr
interessante Leistung." Es wurden Teile des Hanges
abgetragen, eine Schienenanlage installiert und eine
Drahtseilwinde angebracht, mit deren Hilfe man die schweren
Bauteile ziehen konnte.
Ein anderes Geschäftsfeld im Bereich des Bergbaus war das
Bereitstellen von Grubenpferden, die eine besondere
Ausbildung besitzen mussten, um mit den Bedingungen
untertage zurechtzukommen. Um ein Erblinden der Tiere zu
verhindern, war es nötig, sie mehrmals in der Woche ans
Tageslicht zu bringen. Als in den dreißiger Jahren elektrisch
betriebene Grubenbahnen eingeführt wurden, schien das
Geschäft mit den Grubenpferden beendet. Doch Anfang der
vierziger Jahre mussten im Zuge der Kriegswirtschaft wieder
Pferde in die Stollen einfahren, da die für Grubenbahnen
benötigten Akkumulatoren nicht mehr zur Verfügung standen.
Somit blieb das Geschäft mit Grubenpferden bis 1956
Bestandteil des Unternehmens. Erst in diesem Jahr wurden die
letzten Pferde, die in der Grube Pfannenberger Einigkeit im
Einsatz gewesen waren, außer Dienst gestellt.
Ein weiterer Einsatzbereich kam hinzu: Da es auf dem
Güterbahnhof in Neunkirchen keine Rangierloks gab, wurden
für die notwendigen Rangierarbeiten Pferde des
Fuhrunternehmers Waidt als Zugtiere eingesetzt. Aber auch für
die im Siegerland damals noch übliche Arbeit im Hauberg (eine
spezielle Form der Niederwaldwirtschaft), wurden Pferde, zum
Beispiel für Rückarbeiten, bereitgestellt.
Am eindrucksvollsten sind jedoch die Bilder von riesigen
Schwertransporten. Beispielsweise zeigt ein Bild, das um das
Jahr 1900 entstand, die Beförderung eines Dampfkessels der
Firma Weinbrenner. Es handelt sich um ein Fuhrwerk mit 14
vorgespannten
Pferden.
Um die
Transporte in
Richtung Süden,
vor allem nach
Frankfurt/M., ins
Saarland und in
die Wetterau zügig erledigen zu können, richtete man um die
Jahrhundertwende in Limburg eine Relaisstation ein, an der die
Pferde gewechselt werden konnten. Man war somit nicht mehr
gezwungen, lange Ruhepausen zu machen beziehungsweise
sich fremder Pferde zu bedienen.
Kesseltransport um 1900 in Neunkirchen Ortsmitte.
Um 1940 - Fritz Weidt (ein Sohn von
Ferdinand Weidt) führte mittlerweile
das Unternehmen - waren von den
etwa 25 Pferden, die man vor 1914
und auch in den zwanziger und
dreißiger Jahren besessen hatte, nur
noch acht übrig. Wie auch schon
während des Ersten Weltkriegs
wurden erneut Tiere für den
Kriegseinsatz beschlagnahmt. Aus der
Zwischenkriegszeit ist noch zu
berichten, dass es den ersten Versuch
einer Motorisierung gab: Um 1930 kaufte man einen LKW,
musste den Wagen jedoch schon nach kurzer Zeit wieder
abstoßen. Die im ländlichen Raum des Siegerlandes fehlende
Infrastruktur machte den Betrieb eines LKWs unmöglich. Es
standen weder qualifizierte Werkstätten in ausreichender
Anzahl zur Verfügung, noch war eine befriedigende Versorgung
mit Kraftstoff sowie Ersatzteilen gesichert, die von den damals
nicht eben zuverlässigen Wagen benötigt wurden.
Bis nach dem Zweiten Weltkrieg setzte man bei der Spedition
Weidt auf Pferde, da sie zuverlässiger und weniger aufwendig
in der Versorgung und im Unterhalt waren. Das Beschlagen
der Pferde wurde jedoch nicht von Angestellten der Firma
Weidt durchgeführt, sondern durch den Hufschmied
Baumgarten aus Wiederstein bei Neunkirchen.
1949 begann jedoch unter Kurt Weidt
(ein Sohn von Fritz Weidt) der
endgültige Einstieg in das motorisierte
Zeitalter mit einem Dreitonner der
Marke Ford. Heute umfasst der
Fuhrpark des Unternehmens über 100
Fahrzeuge, wovon ca. dreißig
motorisierte, sogenannte ziehende
Einheiten sind. Die über achtzig
Mitarbeiter des Unternehmens
beschäftigen sich nicht nur mit dem
reinen Transport von Gütern, sondern
ebenso mit deren Lagerung, Verpackung, Kommissionierung
und Distribution. Außerdem gehört zur Firma eine große
Werkstatt, in der Wartungs- und Reparaturarbeiten an
motorisierten und unmotorisierten Fahrzeugen sowie die
Umbaumaßnahmen an Anhängern und Aufliegern durchgeführt
werden können, um diese für spezielle Einsatzzwecke
einzurichten.
Der Firmensitz, der sich ursprünglich im Ortskern von
Neunkirchen befand, wurde im Jahre 1906 durch einen Neubau
an gleicher Stelle ersetzt, der allerdings größer war und mehr
Unterstellmöglichkeiten für Pferde und Fuhrwerke bot. Da die
Lage in der Ortsmitte, ursprünglich ein Standortvorteil des
Unternehmens, in den letzten Jahren immer mehr die Ent-
wicklung der Firma behinderte, zog man 1987/88 in ein
autobahnnahes Industriegebiet, das einer weiteren
Vergrößerung der WEIDT-ISL GMBH nunmehr genügend Platz
bietet.
Quelle: Westfälisches Landesmuseum Hagen
Sonderdruck: EXPRESS, Menschen, Güter,
Straßen
* Mittlerweile haben Recherchen ergeben, dass der Vorfahre
Hildebrand Weid bereits 1635 als Fachkraft für den Berg- und
Hüttenbau nach Daaden kam. Sein Sohn Michael Weyd (1665)
wurde staatlicher Bergrevierbeamter.
Nachtrag:
Zur Vervollständigung dieser Historie möchten wir noch erwähnen,
dass die Speditionsabteilung um die Jahrtausendwende verkauft
wurde und im Jahr 2002 das verbliebene Transportunternehmen
der WEIDT-ISL GMBH seinen Betrieb eingestellt hat. An dieser
Stelle werden wir aber für alle Freunde des Hauses - oder sonstige
Interessenten - den letzten Stand der offiziellen Homepage
weiterhin ins Netz stellen. Seit 1995/96 waren wir mit einer
eigenen Homepage im Internet präsent. Wieder einmal sehr viel
früher als die meisten Unternehmen. Damals gab es auf der
Homepage der Deutschen Verkehrs-Zeitung (DVZ) nur einen
Unternehmenseintrag unter "W". Raten Sie mal wer das war. Seit
dieser Zeit hatten sich die Seiten natürlich weiter entwickelt. Aber
die Grundzüge waren bereits so vorhanden. Viel Spaß beim
Stöbern.
Und falls sich jemand fragt, ob den Pferden die Arbeit nicht große
Mühe gemacht hätte, hier ein beeindruckendes Beispiel über deren
Leistungsfähigkeit.
Hartwig Weidt
Die Firma Weidt in Burbach
Vom Fuhrunternehmen zum modernen Speditions-
und Logistikanbieter